Nutzungsänderung bei Bestandsimmobilien: So prüfen Sie die Genehmigungspflicht richtig

Was ist eine Nutzungsänderung - und warum ist sie so wichtig?

Wenn Sie eine bestehende Immobilie von einer Nutzung in eine andere umwandeln - etwa ein altes Lager in eine Wohnung, eine Werkstatt in ein Büro oder eine Wohnung in eine Ferienunterkunft - dann handelt es sich um eine Nutzungsänderung. Das klingt vielleicht einfach. Aber es ist kein privater Umbau, den Sie allein entscheiden können. Es ist eine rechtliche Umwidmung, die von der öffentlichen Hand streng kontrolliert wird. Und wenn Sie das ignorieren, drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro, ein Rückbau oder sogar eine Anzeige.

Die Grundlage dafür ist das Baugesetzbuch (BauGB), genauer §29. Aber es geht nicht nur um das Bundesrecht. Jedes der 16 Bundesländer hat seine eigene Landesbauordnung (LBO), die genau festlegt, was erlaubt ist und was nicht. Und hier liegt der Haken: Was in Berlin erlaubt ist, kann in Bayern verboten sein. Der Bebauungsplan Ihres Stadtteils entscheidet mit, ob Ihre geplante Nutzung überhaupt möglich ist. Wenn der Plan nur Wohnen vorsieht, aber Sie ein Café eröffnen wollen, brauchen Sie eine Genehmigung. Punkt.

Wann ist eine Genehmigung wirklich nötig?

Viele denken: Keine baulichen Veränderungen - keine Genehmigung. Falsch. Die Entscheidung hängt nicht davon ab, ob Sie eine Wand einreißen oder eine neue Tür einbauen. Sondern davon, ob sich die Art der Nutzung ändert - und damit die Anforderungen an Sicherheit, Umwelt und Infrastruktur.

Beispiele, die wirklich zur Genehmigungspflicht führen:

  • Wohnung in Ferienwohnung (Airbnb) umwandeln - auch wenn Sie nichts umbauen
  • Lagerhalle in Fitnessstudio verwandeln - ohne neue Wände, aber mit mehr Menschen, Lärm und anderen Brandschutzregeln
  • Wohnhaus in Arztpraxis umfunktionieren - mehr Besucher, andere Sanitäranlagen, andere Fluchtwege
  • Industriegebäude in Wohnungen umbauen - oft mit Schadstoffen im Boden, die erst entfernt werden müssen
  • Geschäftsräume in Büro umwandeln - dann brauchen Sie mindestens 0,5 Stellplätze pro 100 m² Nutzfläche

Ein Fall aus Köln 2024: Ein Eigentümer hat seine Wohnung in eine Airbnb-Ferienwohnung umgewandelt. Kein Stein wurde bewegt. Kein Zimmer vergrößert. Aber: Die Stadt hat ihm ein Bußgeld von 12.500 Euro verhängt. Warum? Weil die Nutzung von Wohnen zu Gewerbe wechselt - und das ist immer genehmigungspflichtig, selbst ohne Bauarbeiten.

Die fünf Schritte zur Genehmigung - Schritt für Schritt

Wenn Sie sicher sind, dass Ihre Nutzungsänderung genehmigungspflichtig ist, geht es los mit einem klaren Prozess. Es gibt fünf Schritte, die Sie nicht überspringen können.

  1. Prüfen Sie den Bebauungsplan - Lassen Sie sich den aktuellen Bebauungsplan Ihres Grundstücks von der Stadtverwaltung ausdrucken. Dort steht genau, welche Nutzungen erlaubt sind: „Wohnen“, „Gewerbe“, „Gemischt“ oder „Nicht bebaut“. Wenn Ihre geplante Nutzung nicht drinsteht, brauchen Sie eine Änderung - und das ist ein eigenes Verfahren.
  2. Planen Sie mit allen Vorschriften - Jetzt kommt die Technik: Brandschutz, Schallschutz, Barrierefreiheit, Fluchtwege, Stellplätze. Ein Fitnessstudio braucht zwei unabhängige Rettungswege, wenn die Nutzfläche über 50 m² liegt. Ein Büro braucht mehr WC-Plätze als eine Wohnung. Ein Wohnhaus in einem Industriegebiet braucht Schallschutz gegen Lärm - und das muss nachgewiesen werden.
  3. Einreichen Sie den Bauantrag - Aber Achtung: Sie können den Antrag nicht selbst stellen. Nur ein bauvorlageberechtigter Fachplaner - also ein Architekt oder ein Ingenieur mit entsprechender Zulassung - darf das tun. Privatpersonen sind dazu nicht berechtigt. Das ist kein Versehen, das ist Gesetz.
  4. Warten auf die Behörde - Die Bauaufsicht prüft den Antrag. Das dauert durchschnittlich 3 bis 6 Monate. In Berlin oder Hamburg kann es schneller gehen, in ländlichen Regionen oft länger. Seit 2022 gibt es in 12 Bundesländern den elektronischen Bauantrag (eBA). Das verkürzt die Zeit um rund 28 Tage. Aber: Komplexe Projekte, wie die Umnutzung von Industriegebäuden, bleiben langwierig.
  5. Beginnen Sie erst nach Genehmigung - Keine Ausnahmen. Nicht mal ein paar Möbel reinbringen. Nicht mal ein Schild aufhängen. Erst wenn die Genehmigung schriftlich vorliegt, dürfen Sie loslegen. Sonst riskieren Sie nicht nur Geld, sondern auch die gesamte Investition.
Architekt präsentiert Bauantrag im Rathaus, Behördenmitarbeiter prüfen Unterlagen

Welche Unterlagen brauchen Sie?

Ein Antrag ist kein Formular, das Sie ausfüllen und abschicken. Es ist eine detaillierte Dokumentation. Die Behörde will alles wissen - und beweisen. Hier ist die Liste, die Sie brauchen:

  • Lageplan im Maßstab 1:500 (zeigt das Grundstück im Kontext der Umgebung)
  • Grundrisse: Bestehende Nutzung und geplante Nutzung - Seite für Seite, Raum für Raum
  • Brandschutznachweis - oft mit Berechnungen von Fluchtzeiten und Feuerwiderstandsklassen (F30 bei Wohnungen)
  • Schallschutznachweis - besonders wichtig bei Gewerbe in Wohngebieten
  • Stellplatznachweis - berechnet nach der Anzahl der Nutzer und der Nutzfläche
  • Denkmalschutzgutachten - wenn das Gebäude unter Denkmalschutz steht
  • Sanierungsplan - bei ehemaligen Industriegebäuden mit Bodenkontamination (z. B. Schwermetalle über 50 mg/kg)

Und das ist nur die Grundausstattung. Je komplexer das Projekt, desto mehr Unterlagen. Ein Projekt in Berlin-Neukölln, wo eine alte Mälzerei in 42 Wohnungen umgewandelt wurde, brauchte über 200 Seiten Unterlagen - inklusive Bodenuntersuchungen, Lärmmessungen und architektonischen Konzepten für den Denkmalschutz.

Kosten: Was kostet eine Nutzungsänderung?

Die Kosten variieren stark - je nach Bundesland, Größe und Komplexität. Aber hier sind die realistischen Zahlen für 2025:

  • Verwaltungsgebühren: 2.000 bis 10.000 Euro
  • Berlin: durchschnittlich 3.500 Euro
  • Bayern: durchschnittlich 4.200 Euro
  • Hamburg: durchschnittlich 2.800 Euro

Dazu kommen die Kosten für den Fachplaner: 1.500 bis 5.000 Euro für die Vorbereitung des Antrags. Und dann die tatsächlichen Umbaukosten - die oft das größte Loch sind. Wer ein altes Bürogebäude in Wohnungen umwandelt, rechnet mit durchschnittlich 1.850 Euro pro Quadratmeter. Das ist teuer. Aber: In Ballungsräumen wie Berlin, Frankfurt oder München sind Mieten oft so hoch, dass sich das lohnt. In ländlichen Regionen oft nicht.

Und vergessen Sie nicht: Die Genehmigungsverfahren machen bis zu 28% der Gesamtkosten aus. Das ist kein Nebenkostenposten. Das ist ein zentraler Kostenfaktor.

Wann ist es genehmigungsfrei?

Es gibt nur eine echte Ausnahme: Mieterwechsel. Wenn ein neuer Mieter das Objekt genau so nutzt wie der alte - etwa eine Wohnung bleibt Wohnung, ein Laden bleibt Laden - dann brauchen Sie keine Genehmigung. Selbst wenn der Mieter wechselt, bleibt die Nutzung gleich. Dann ist es kein rechtlicher Wechsel der Nutzung, sondern nur ein Wechsel des Nutzers.

Und es gibt eine Sonderregelung in Nordrhein-Westfalen seit Juli 2025: Das „Umnutzungsbeschleunigungsgesetz“ macht es einfacher, Bürogebäude in Wohnungen umzuwandeln. Die Bearbeitungszeit ist auf 90 Tage begrenzt. Und in Innenstadtlagen brauchen Sie weniger Stellplätze. Das ist ein Pilotprojekt - aber es könnte sich bundesweit durchsetzen.

Gebäude im Vergleich: Industrie links, Wohnung rechts, rotes X markiert Genehmigungspflicht

Was passiert, wenn Sie es ohne Genehmigung machen?

Die Strafen sind nicht nur finanziell. Sie sind existenziell.

  • Bußgelder: 5.000 bis 50.000 Euro - je nach Schwere und Dauer der Verstöße
  • Rückbauverpflichtung: Die Behörde kann verlangen, dass Sie alles wieder in den Originalzustand zurückversetzen - auf eigene Kosten
  • Verkaufssperre: Die Immobilie kann nicht mehr legal verkauft werden, bis die Genehmigung nachgeholt ist - oder abgelehnt wurde
  • Haftung: Wenn jemand verletzt wird, weil die Brandschutzregeln nicht eingehalten wurden, haften Sie persönlich - auch mit Ihrem Privatvermögen

Ein Beispiel: Ein Investor in Düsseldorf hat 2024 eine Lagerhalle in ein Fitnessstudio umgewandelt, ohne die Fluchtwege zu prüfen. Nach einem Brandalarm wurde die Anlage geschlossen. Der Eigentümer bekam nicht nur ein Bußgeld von 35.000 Euro - er musste auch 180.000 Euro in neue Fluchtwege investieren. Und die Versicherung hat nicht gezahlt, weil der Betrieb illegal war.

Wie können Sie den Prozess beschleunigen?

Die beste Strategie: Reden Sie vorher mit der Behörde. Nicht erst, wenn der Antrag da ist. Sondern vorher. Ein simples Informationsgespräch mit der Bauaufsichtsbehörde reduziert die Ablehnungsquote von 22% auf 8%. Und es spart bis zu 45 Tage Zeit.

Was Sie dabei tun:

  • Bringen Sie Grundrisse und Pläne mit - auch wenn sie noch nicht perfekt sind
  • Stellen Sie Ihre Idee vor - fragen Sie: „Ist das grundsätzlich möglich?“
  • Frage nach möglichen Hürden: „Was brauchen Sie sonst noch?“

Das kostet keine Gebühr. Es ist nur ein Termin. Aber es verhindert, dass Sie Monate und Tausende Euro in einen Antrag investieren, der von vornherein chancenlos ist.

Was kommt als Nächstes?

Die Zukunft der Nutzungsänderung ist digital. Bis Ende 2026 soll ein bundesweites elektronisches Bauantrags-System (eBA-Bund) eingeführt werden. Dann wird alles online - Anträge, Unterlagen, Prüfungen. Das wird die Prozesse schneller machen. Aber: Es wird nicht die Komplexität der Vorschriften verringern. Und es wird nicht die Kosten senken.

Der Immobilienverband IVD prognostiziert bis 2030 ein Potenzial von 120 bis 150 Millionen Quadratmeter Bürofläche, die in Wohnraum umgewandelt werden könnten. Das ist eine riesige Chance. Aber nur, wenn die Genehmigungsverfahren nicht noch länger dauern als die Bauzeit selbst.

Die größte Hürde bleibt: Die Finanzierung. Die Mietpreisbremse in vielen Städten begrenzt die Miete auf 13,50 Euro pro Quadratmeter. Aber die Kosten für eine Umnutzung liegen bei 1.850 Euro pro Quadratmeter. Das bedeutet: Selbst bei 13,50 Euro Miete brauchen Sie 15 Jahre, um die Investition zurückzuerhalten. Wer das nicht durchhält, scheitert - egal wie gut die Genehmigung ist.

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