Innenwanddämmung ohne Schimmel: So funktionieren kapillaraktive Systeme

Warum Innendämmung oft zu Schimmel führt - und wie das verhindert werden kann

Wenn eine alte Wand von innen gedämmt wird, passiert etwas Unheimliches: Die Wand wird kälter. Nicht weil die Dämmung schlecht ist, sondern weil sie die Wärme vom Inneren abhält. Das ist gut für die Energiebilanz, aber schlecht für die Wand selbst. Die Feuchtigkeit aus der Luft, die früher einfach in die warme Mauer eindrang und dort verdunstete, bleibt jetzt an der kalten Innenseite hängen. Und dort bildet sich Schimmel - schnell, unaufhaltsam, oft unsichtbar hinter Möbeln oder Bildern.

Früher hat man das mit Dampfsperren gelöst: Folien, die die Feuchtigkeit komplett blockieren sollten. Doch das funktioniert nur, wenn die Folie perfekt verlegt ist. Ein kleiner Nagel, ein undichter Anschluss an die Fensterlaibung, ein Riss im Kleber - und schon ist die Feuchtigkeit gefangen. Sie sammelt sich hinter der Dämmung, wird nicht mehr sichtbar, aber sie frisst die Wand von innen auf. Schimmel ist dann nur eine Frage der Zeit.

Es gibt eine bessere Lösung: kapillaraktive Innendämmung. Sie lässt Feuchtigkeit nicht einfach abprallen - sie nimmt sie auf, speichert sie kurz und gibt sie wieder ab, wenn die Luft trockener wird. Keine Folien. Keine Angst vor kleinen Fehlern. Kein Schimmel, wenn alles richtig gemacht wird.

Wie kapillaraktive Systeme wirklich funktionieren

Kapillaraktive Dämmplatten bestehen aus natürlichen Materialien: Sand, Kalk, Zement, Wasser und einem Porenbildner. Sie sehen aus wie normale Dämmplatten, aber ihre Struktur ist anders. Statt dichter Zellen haben sie tausende winzige Kanäle - wie ein Schwamm aus Stein. Diese Kanäle saugen Feuchtigkeit aus der Luft auf, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist, etwa nach dem Duschen oder Kochen. Sobald die Luft trockener wird - durch Lüften oder Heizen - geben sie die Feuchtigkeit wieder ab.

Diese Fähigkeit nennt man kapillare Feuchteregulation. Sie funktioniert ohne Dampfsperre. Keine Folie, keine Klebeverbindungen, die versagen können. Die Platten sind diffusionsoffen - das bedeutet, ihr Diffusionswiderstand (sd-Wert) liegt unter 0,5 µ. Das ist weniger als ein Zentimeter Luft. Die Feuchtigkeit kann also frei durch die Dämmung wandern, ohne sich festzusetzen.

Die Wärmedämmleistung ist dabei nicht schlecht. Moderne Systeme wie Multipor von Xella haben eine Wärmeleitfähigkeit von 0,038 bis 0,042 W/mK. Das ist besser als viele herkömmliche Kalziumsilikatplatten (0,060 W/mK). Die Wand wird wärmer - um durchschnittlich 3,2°C, wie eine Studie der Universität Stuttgart zeigt. Und eine wärmere Wand bedeutet weniger Kondenswasser - und damit weniger Schimmel.

Wo kapillaraktive Systeme perfekt passen - und wo nicht

Nicht jede Wand ist gleich. Und nicht jeder Raum eignet sich für kapillaraktive Dämmung.

Die besten Einsatzorte sind Wohnzimmer, Schlafzimmer, Büros, Flure - Räume, in denen die Luftfeuchtigkeit durch normales Lüften reguliert wird. Hier arbeiten die Systeme wie eine natürliche Luftbefeuchter-Entfeuchter-Kombination. Ein Architekt in Leipzig hat damit in einem denkmalgeschützten Altbau Schimmel komplett beseitigt. Eine Bauherrin in Berlin berichtet, dass nach der Sanierung mit Multipor-Platten kein einziger Schimmelherd mehr aufgetreten ist - nach 15 Jahren ohne Probleme.

Aber es gibt Grenzen. Kapillaraktive Systeme sind nicht für Räume mit dauerhaft hoher Luftfeuchtigkeit geeignet. Schwimmbäder, Saunen, Großküchen, Waschküchen mit mehreren Waschmaschinen, Keller mit ständigem Grundwasser - dort wird die Kapazität der Platten überlastet. Die Feuchtigkeit kommt zu schnell, zu viel, zu oft. Dann kann selbst die beste kapillare Struktur nicht mehr mithalten. Hier braucht man andere Lösungen - etwa eine Außendämmung oder eine mechanische Entfeuchtung.

Die Faustregel: Wenn du in deinem Wohnzimmer nach dem Duschen die Fenster aufmachst, ist kapillaraktive Dämmung ideal. Wenn du in der Küche ständig Dampf erzeugst und nie lüftest, dann ist sie riskant.

Vergrößerte Querschnittsdarstellung der mikroskopischen Kapillaren in einer kapillaraktiven Dämmplatte, die Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben.

Was passiert, wenn die Dämmung falsch installiert wird?

Kapillaraktive Systeme sind robust - aber nicht unverwundbar. Der größte Fehler ist nicht das Material, sondern die Vorbereitung.

32 % aller Schäden an kapillaraktiven Dämmungen gehen auf unzureichende Oberflächenreinigung zurück. Staub, alte Farbe, Fett, Schimmelreste - alles, was die Haftung behindert, wird zur Schwachstelle. Die Platten kleben nicht richtig. Feuchtigkeit sammelt sich an der Wand, und der Schimmel wächst trotz der „schimmelfreien“ Dämmung.

27 % der Fehler entstehen durch falschen Kleber. Nicht jeder Kleber ist für kapillaraktive Systeme geeignet. Manche enthalten chemische Zusätze, die die Poren verstopfen. Nur spezielle mineralische Klebemörtel, die diffusionsoffen sind, dürfen verwendet werden. Hersteller wie Knauf und Xella liefern die richtigen Produkte mit - aber viele Handwerker nutzen einfach den billigsten Kleber aus dem Baumarkt.

Und dann gibt es noch die Wärmebrücken. Fensterlaibungen, Rohrdurchführungen, Stahlträger - diese Bereiche kühlen schneller aus als die Wand. Wenn sie nicht extra gedämmt werden, entsteht dort Kondenswasser. Die kapillaraktive Dämmung kann das nicht kompensieren, wenn die Wärmebrücke zu groß ist. Das ist kein Fehler des Materials - sondern der Planung.

Die Lösung? Fachkundige Handwerker. Knauf hat 2023 über 1.200 Betriebe zertifiziert. Xella bietet Schulungen an. Wer hier spart, zahlt später mit Schimmel, feuchten Wänden und teuren Sanierungen.

Wie sich der Markt entwickelt - und warum das wichtig ist

Der Markt für Innendämmung in Deutschland ist 2023 auf 1,2 Milliarden Euro gewachsen. Und kapillaraktive Systeme machen jetzt 63 % davon aus - ein Anstieg von 58 % im Vorjahr. Das ist kein Zufall. Es ist die Antwort auf jahrelange Schimmelprobleme bei konventionellen Dämmungen.

Die führenden Hersteller sind Xella mit Multipor (28 % Marktanteil) und Knauf mit Rotkalk in (22 %). Beide haben 2024 neue Generationen vorgestellt: Multipor mit 0,038 W/mK und Rotkalk in Climaprotect, speziell für Schimmelsanierungen entwickelt. Die Technik wird besser, dünner, effizienter.

Die Nachfrage kommt vor allem aus dem Bestand. 78 % der Anwendungen sind in denkmalgeschützten Gebäuden, wo eine Außendämmung nicht erlaubt ist. 65 % der Sanierungen erfolgen ohne Fassadenveränderung. Und 52 % dienen direkt der Schimmelsanierung - nicht nur der Energieeinsparung.

Die Prognose ist klar: Bis 2030 werden 75 % aller Innendämmungen in Deutschland kapillaraktiv sein, sagt das Fraunhofer-Institut. Die Energieeinsparverordnung wird das noch beschleunigen - denn zukünftig wird nicht mehr nur die Dämmstärke, sondern auch die Feuchteregulation bewertet.

Wohnzimmer mit renovierter Wand, Bewohner lüftet, Feuchtigkeitsmesser zeigt optimale Werte, keine Schimmelstellen.

Was du tun kannst - Schritt für Schritt

Wenn du über Innendämmung nachdenkst, folge diesen Schritten:

  1. Prüfe die Feuchtigkeit: Lass eine Feuchtemessung machen. Ist die Wand schon feucht? Ist Schimmel vorhanden? Wenn ja: Ursache klären - ist es ein Leck, schlechte Lüftung oder Baufehler?
  2. Entscheide den Raum: Nur für Räume mit normalem Feuchtehaushalt. Keine Bäder, keine Küchen, keine Keller.
  3. Wähle den Hersteller: Multipor, Rotkalk in, oder andere zertifizierte Systeme. Achte auf die Wärmeleitfähigkeit (unter 0,045 W/mK) und diffusionsoffene Eigenschaften.
  4. Suche einen zertifizierten Handwerker: Nicht jeder Dämmunternehmer kennt kapillaraktive Systeme. Frag nach Zertifikaten von Knauf oder Xella.
  5. Stelle die Oberfläche richtig her: Alte Farbe abnehmen, Staub saugen, Fett entfernen. Keine Kompromisse.
  6. Lüfte regelmäßig: Nach der Sanierung nicht aufhören zu lüften. Zwei Mal täglich stoßlüften - das ist die wichtigste Voraussetzung für die Funktion der Dämmung.

Was passiert, wenn du es nicht machst?

Wenn du Schimmel ignorierst, wird er sich ausbreiten. Er frisst Putz, Farbe, Holz - und kann deine Gesundheit angreifen. Allergien, Atemwegserkrankungen, chronische Müdigkeit - das sind keine Nebenwirkungen, sondern typische Folgen.

Und wenn du eine alte Dämmung mit Dampfsperre hast, die jetzt fehlerhaft ist? Dann musst du die ganze Wand abreißen. Die Dämmung entfernen. Die Wand trocknen lassen - das kann Monate dauern. Dann neu dämmen. Das kostet 5.000 bis 10.000 Euro - und du hast ein halbes Jahr Chaos.

Kapillaraktive Dämmung ist keine Magie. Aber sie ist die intelligenteste Lösung, die wir heute haben, um Wärme und Schimmel in Einklang zu bringen. Sie nutzt die Natur, nicht die Technik. Und sie funktioniert - wenn man sie richtig macht.

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