Beim Kauf einer Eigentumswohnung denken viele nur an die Größe, die Lage oder die Ausstattung. Doch das wichtigste Dokument, das deine Rechte und Pflichten als Eigentümer festlegt, bleibt oft ungelesen: die Teilungserklärung. Sie ist der rechtliche Bauplan deiner Wohnung - und wenn du sie nicht verstehst, läufst du Gefahr, unerwartete Kosten zu tragen, dich mit Nachbarn zu streiten oder sogar deine eigenen Renovierungspläne zu verhindern.
Was ist die Teilungserklärung wirklich?
Die Teilungserklärung ist kein bloßes Formular, sondern ein notariell beglaubigtes Rechtsdokument, das nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) definiert, welche Teile einer Immobilie dir gehören und welche gemeinsam mit allen anderen Eigentümern genutzt werden. Ohne diese Erklärung gibt es kein Sondereigentum - nur Miteigentum am gesamten Gebäude. Das bedeutet: Du hättest keine eigene Wohnung, sondern nur einen Anteil an allem.
Die Teilungserklärung entsteht meist vom Bauträger, bevor die ersten Wohnungen verkauft werden. Sie muss im Grundbuch eingetragen sein, um rechtsgültig zu sein. Und genau hier liegt das Problem: Viele Käufer unterschreiben den Kaufvertrag, ohne die Teilungserklärung überhaupt zu lesen. Dabei ist sie das einzige Dokument, das klarmacht, wer was darf - und wer was zahlt.
Sondereigentum: Was gehört dir wirklich?
Sondereigentum sind die Teile der Wohnung, die du exklusiv nutzen und verändern darfst. Das klingt einfach - ist es aber nicht. Die meisten denken: „Meine Wohnung ist mein Sondereigentum.“ Falsch. Du besitzt nicht die Außenwände, nicht die Fenster, nicht den Boden unter deinem Teppich, wenn er nicht explizit dazu gehört.
Was wirklich zu deinem Sondereigentum zählt, steht in der Teilungserklärung - und nur dort. Typische Elemente sind:
- Die Innenräume deiner Wohnung (Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer)
- Einbauküchen und Badewannen (wenn sie als fest verbaut gelten)
- Heizkörper und Fußbodenheizung (nur wenn ausdrücklich zugewiesen)
- Decken- und Wandverkleidungen wie Tapeten oder Fliesen
- Einzelne Türen innerhalb der Wohnung (nicht die Wohnungstür!)
- Garagen, Kellerabteile oder Dachböden, die dir zugeordnet sind
Wichtig: Alles, was nicht explizit als Sondereigentum aufgeführt ist, gehört automatisch zum Gemeinschaftseigentum. Das heißt: Wenn deine Teilungserklärung nicht sagt, dass die nichttragenden Innenwände dir gehören, dann gehören sie allen. Und wenn du sie abreißen willst, brauchst du die Zustimmung der gesamten Eigentümergemeinschaft.
Gemeinschaftseigentum: Was du nicht allein entscheidest
Das Gemeinschaftseigentum ist das, was alle gemeinsam nutzen - und gemeinsam bezahlen. Dazu gehören:
- Treppenhäuser und Flure
- Die Außenwände und das Dach
- Die Fundamente und die gesamte Bausubstanz
- Die Wohnungstüren (ja, die sind nicht dein Sondereigentum!)
- Balkone und Loggien (oft umstritten - siehe unten)
- Waschküchen, Technikräume, Fahrstühle
- Das gesamte Grundstück mit Garten und Parkplätzen
Wenn du eine neue Tür einbauen willst, die nicht zum Sondereigentum gehört - etwa eine neue Haustür -, brauchst du einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft. Dasselbe gilt für Fenster, Dachdämmung oder die Sanierung der Fassade. Hier entscheidet nicht du allein, sondern die Mehrheit der Miteigentümer. Und wenn du die Kosten für diese Arbeiten nicht mittragen willst, hast du keine Wahl: Du musst zahlen.
Balkone, Terrassen und Kellerräume - die häufigsten Streitpunkte
Keine anderen Bereiche führen zu so vielen Rechtsstreitigkeiten wie Balkone, Dachterrassen und Kellerabteile. Laut einer Umfrage der GEV-Versicherung aus 2022 sind Balkone in 68 % der Fälle Streitgegenstand in Wohnungseigentümergemeinschaften. Warum? Weil viele Teilungserklärungen unklar sind.
Ein Balkon kann:
- zum Sondereigentum gehören (dann darfst du ihn umbauen, aber nicht die Geländer verändern)
- zum Gemeinschaftseigentum gehören, aber du hast ein Sondernutzungsrecht (dann darfst du ihn nutzen, aber nicht umbauen)
- ganz zum Gemeinschaftseigentum gehören (dann darfst du ihn nicht mal mit Blumenkübeln befüllen, ohne Zustimmung)
Die gleiche Unsicherheit gilt für Kellerabteile. Viele Käufer denken: „Ich habe den Keller mitgekauft.“ Aber wenn die Teilungserklärung nicht sagt, dass Raum 12a dir gehört, dann ist er Gemeinschaftseigentum - und jeder kann ihn nutzen. Ein häufiger Fehler: Der Bauträger hat den Raum auf dem Aufteilungsplan nicht mit der Wohnung verknüpft. Dann gehört er nicht dir - egal, was der Verkäufer versprochen hat.
Miteigentumsanteile: Wer zahlt wie viel?
Die Teilungserklärung enthält auch die Miteigentumsanteile. Das ist kein theoretisches Konzept - das bestimmt deine monatliche Hausgeldzahlung. Diese Anteile werden meist nach der Wohnfläche berechnet, aber nicht immer. In älteren Gebäuden kann es sein, dass eine große Wohnung nur 10 % Anteil hat, während eine kleine mit Balkon und Keller 15 % trägt.
Warum? Weil die Anteile auch die Nutzung von Gemeinschaftsflächen berücksichtigen. Eine Wohnung mit Garage und Kellerabteil zahlt mehr, weil sie mehr vom Gemeinschaftseigentum nutzt. Wenn du deine Wohnung verkaufst, überträgst du auch deinen Anteil - und damit deine Kostenlast. Kein Verkäufer muss dir sagen, wie hoch dein Anteil ist. Du musst es in der Teilungserklärung nachlesen.
Sondernutzungsrechte: Was du nutzen darfst - und was nicht
Ein Sondernutzungsrecht erlaubt dir, eine Gemeinschaftsfläche exklusiv zu nutzen - ohne sie zu besitzen. Typische Beispiele:
- Eine Stellplatzbox im Tiefgaragenbereich
- Ein Gartenanteil vor deiner Wohnung
- Eine Dachterrasse, die nur für deine Wohnung vorgesehen ist
Doch Vorsicht: Ein Sondernutzungsrecht ist kein Eigentum. Du darfst es nicht verkaufen, nicht vermieten - und nicht verändern, ohne Zustimmung der Gemeinschaft. Wenn du den Boden deiner Dachterrasse mit Fliesen legen willst, brauchst du einen Beschluss. Und wenn du die Fliesen später wieder rausnimmst, musst du den ursprünglichen Zustand wiederherstellen - es sei denn, die Teilungserklärung sagt etwas anderes.
Die Gemeinschaftsordnung: Die Hausregeln
Die Teilungserklärung enthält oft auch die Gemeinschaftsordnung. Das ist der Teil, der sagt, was du in deiner Wohnung tun darfst und was nicht. Hier steht, ob du Hunde halten darfst, ob du Ferienwohnungen vermieten kannst, ob du eine Ladestation fürs E-Auto einbauen darfst - oder ob du deine Wohnung als Büro nutzen darfst.
Und das ist ein großes Problem: 63 % der Gemeinschaftsordnungen in Deutschland sind veraltet. Sie stammen aus den 80er Jahren, als niemand an Homeoffice, E-Autos oder Smart-Home-Technik dachte. Wenn deine Ordung sagt „keine Gewerbenutzung“, aber du als Freiberufler von zu Hause arbeitest, bist du schon in der Grauzone. Und wenn du eine Ladestation einbauen willst, aber die Ordung nichts dazu sagt - dann brauchst du die Zustimmung aller. Und die zu bekommen, ist oft schwerer als eine neue Wohnung zu finden.
Warum du die Teilungserklärung vor dem Kauf prüfen lassen musst
Ein Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht prüft die Teilungserklärung in der Regel innerhalb von 2-3 Tagen. Die Kosten liegen zwischen 300 und 800 Euro - ein kleiner Preis, wenn du später nicht 10.000 Euro für eine falsche Renovierung bezahlst oder in einem Rechtsstreit landest.
Experten schätzen, dass bis zu 30 % der Teilungserklärungen in Deutschland Fehler enthalten - vor allem bei der Raumzuordnung. In 42 % der Nachprüfungen finden sich Fehler bei Abstellräumen, Waschküchen oder Technikflächen. Und wenn du erst nach dem Kauf merkst, dass dein Keller nicht dir gehört - dann ist es zu spät. Eine Änderung der Teilungserklärung erfordert die Zustimmung aller 50, 80 oder 120 Miteigentümer. Und die sind oft schwer zu finden, schwer zu überzeugen - oder einfach nicht mehr da.
Was du tun solltest - sofort
Wenn du eine Wohnung kaufst, hole dir die Teilungserklärung - nicht erst nach dem Notartermin, sondern vorher. Lies sie. Vergleiche sie mit dem Aufteilungsplan. Frag dich:
- Welche Räume sind explizit als Sondereigentum aufgeführt?
- Wo steht, dass mein Balkon mir gehört - oder nicht?
- Was ist mit dem Keller, der Garage, dem Abstellraum?
- Wie hoch ist mein Miteigentumsanteil?
- Was verbietet die Gemeinschaftsordnung - und ist sie aktuell?
Wenn du unsicher bist: Lass sie von einem Fachanwalt prüfen. Es ist kein Luxus - es ist Versicherung. Denn die Teilungserklärung ist nicht nur ein Dokument. Sie ist dein Recht, deine Verantwortung und deine Zukunft als Wohnungseigentümer.
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