Wenn du deine Immobilie verkaufst oder deinen Kredit umschulden willst, kann dir eine Vorfälligkeitsentschädigung einen riesigen Schluck Geld kosten - oft mehr, als du je gedacht hast. Viele Hausbesitzer merken erst im letzten Moment, dass sie Tausende Euro zahlen müssen, nur weil sie ihren Kredit vorzeitig zurückzahlen. Dabei lässt sich das vermeiden - wenn du weißt, wie.
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung wirklich?
Die Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) ist kein Strafzuschlag. Sie ist eine Entschädigung, die du deiner Bank zahlen musst, wenn du deinen Immobilienkredit vor Ablauf der vereinbarten Zinsbindungsfrist vollständig oder teilweise zurückzahlst - und zwar mehr als die erlaubte Sondertilgung. Die Bank hat dir jahrelang zu einem festen Zins Geld gegeben. Wenn du jetzt aussteigst, verliert sie die erwarteten Zinseinnahmen. Die VFE soll das ausgleichen.
Doch hier liegt die Falle: Im Gegensatz zu anderen Krediten, wie Autokrediten oder Privatdarlehen, gibt es für Immobilienkredite keine gesetzliche Obergrenze. Bei einem Privatkredit darfst du maximal 1 % der Restschuld zahlen, wenn du nach mehr als 12 Monaten kündigst. Bei deinem Hauskredit? Keine Grenze. Die Bank berechnet, was sie verloren hat - und das kann schnell 5 %, 8 % oder sogar 10 % deiner Restschuld sein.
Beispiel: Du hast noch 95.000 Euro Schulden. Bei einer VFE von 8 % sind das 7.600 Euro - einfach so, nur weil du deinen Kredit vorzeitig ablösen willst. Und das, obwohl du vielleicht schon 10 Jahre lang pünktlich gezahlt hast.
Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?
Es gibt zwei Methoden, die Banken nutzen, um die VFE zu berechnen - und beide sind kompliziert. Die häufigste ist der Aktiv-Passiv-Vergleich. Die Bank stellt sich vor: „Wenn du mir das Geld zurückgibst, lege ich es nicht einfach in der Schublade, sondern kaufe Hypothekenpfandbriefe am Kapitalmarkt.“ Der Zins, den sie dafür bekommt, ist heute oft viel niedriger als der, den du ihr vor 5 Jahren versprochen hast. Die Differenz ist die VFE.
Die zweite Methode ist der Aktiv-Aktiv-Vergleich. Hier rechnet die Bank: „Ich verleihe das Geld jetzt an einen anderen Kunden - aber zu niedrigeren Zinsen.“ Auch hier entsteht ein Verlust, den du ausgleichen musst.
Und jetzt kommt’s: Die Höhe der VFE hängt vom Zinsverlauf ab. Wenn die Zinsen gestiegen sind - wie seit 2022 -, ist die VFE oft niedrig. Denn die Bank kann das Geld jetzt zu höheren Zinsen wieder verleihen. Aber wenn die Zinsen wieder fallen - wie 2020 oder 2021 -, wird die VFE explodieren. Dann verliert die Bank richtig Geld, und du zahlst dafür.
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. März 2023 hat klargestellt: Die Bank muss auch die Kosten für die Ersatzanlage abziehen. Das bedeutet: Wenn sie für die Pfandbriefe Gebühren zahlt, darf sie das von deiner VFE abziehen. Viele Banken haben das bisher ignoriert. Jetzt musst du nachfragen.
Warum ist die VFE bei Immobilienkrediten so viel höher als bei anderen Krediten?
In Frankreich ist die VFE auf sechs Monatszinsen begrenzt. In den Niederlanden ist sie auf 1 % der Restschuld gedeckelt. In Deutschland? Keine gesetzliche Obergrenze. Das ist ein riesiger Unterschied.
Warum? Weil Immobilienkredite als „geschäftliche“ Kredite gelten - obwohl du ein Privatperson bist. Das ist ein juristischer Trick. Die Schutzregeln für Verbraucher (§ 502 BGB) gelten nicht. Deshalb kann eine Bank dir bei einer Restlaufzeit von 15 Jahren und einem Zinsvorteil von 2 % pro Jahr eine VFE von 20.000 Euro oder mehr berechnen - bei einem Kredit von 200.000 Euro.
Das ist kein Fehler. Das ist System. Und viele Verbraucher merken es erst, wenn sie den Verkaufsvertrag unterschreiben wollen.
Wie du die VFE vermeiden kannst - 5 praktische Strategien
Du musst nicht einfach hinnehmen, was die Bank dir aufdrängt. Hier sind fünf Wege, wie du die VFE umgehen oder minimieren kannst - und zwar schon vor der Kreditunterschrift.
- 1. Zinsbindung nicht länger als 10 Jahre wählen
Wenn du eine Zinsbindung von mehr als 10 Jahren abschließt, hast du nach § 490 BGB ein Sonderkündigungsrecht. Nach 10 Jahren kannst du den Kredit mit sechs Monaten Kündigungsfrist kündigen - ohne VFE. Das ist dein größter Trumpf. Viele Banken locken mit 15- oder 20-jährigen Zinsbindungen. Das klingt sicher. Aber es bindet dich - und kostet dich später Tausende. - 2. Nutze Sondertilgungen voll aus
Fast jeder Vertrag erlaubt mindestens 5 % der ursprünglichen Kreditsumme pro Jahr als Sondertilgung - ohne VFE. Wenn du 200.000 Euro geliehen hast, darfst du jährlich 10.000 Euro zusätzlich zahlen. Das senkt deine Restschuld - und damit auch die spätere VFE. Wer das konsequent macht, kann die VFE um 30-50 % reduzieren. - 3. Pfandtausch nutzen - der unsichtbare Trick
Wenn du deine Immobilie verkaufst, kannst du den Kredit nicht ablösen - sondern den neuen Käufer den Kredit übernehmen lassen. Das nennt man Pfandtausch oder Schuldübernahme. Die Bank muss zustimmen, aber sie darf die VFE nicht verlangen. In 78 % der Fälle ist das möglich, wenn der Käufer die Bonität hat. Ein Nutzer aus Kassel berichtete: „Ich habe 7.200 Euro gespart, weil ich den Kredit auf den Käufer übertragen habe.“ Keine Bank erklärt das freiwillig. Du musst danach fragen. - 4. Auf Banken mit flexiblen Modellen achten
Einige Banken wie die Allianz bieten heute schon Modelle an, bei denen du bis zu 10 % der Kreditsumme pro Jahr vorzeitig zurückzahlen kannst - gegen einen kleinen Zinsaufschlag von 0,2 % pro Jahr. Das klingt nach mehr Zinsen. Aber wenn du später eine VFE von 8 % vermeidest, ist das ein klarer Gewinn. Frag bei der Kreditanfrage: „Gibt es eine Option, ohne VFE vorzeitig zu tilgen?“ - 5. Warte auf die richtige Zinslage
Wenn die Bauzinsen steigen - wie jetzt ab 2022 -, ist die VFE oft unter 2 % der Restschuld. Dann lohnt sich das Umschulden. Wenn die Zinsen fallen, warte. Du kannst auch abwarten, bis du die 10-Jahres-Grenze erreicht hast. Dann kündigst du ohne VFE. Ein Finanztip-Rechner aus September 2023 zeigt: Bei 4,2 % aktuellem Zins und 1,5 % altem Zins ist die VFE oft nur noch 1,5 % der Restschuld. Das ist kein Problem mehr.
Was du bei der Kreditvergabe unbedingt prüfen musst
Bevor du den Kreditvertrag unterschreibst, lies die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) genau. Suche nach diesen drei Punkten:
- Zinsbindungsfrist: Ist sie länger als 10 Jahre? Dann hast du später keine Flexibilität.
- Sondertilgung: Wie viel darfst du jährlich extra zahlen? Mindestens 5 % sind Standard. Mehr ist besser.
- VFE-Berechnung: Steht da, wie sie berechnet wird? Wenn nicht, frage nach. Eine Bank, die das nicht transparent macht, ist kein Vertrauenspartner.
Und: Lass dir die VFE im Voraus berechnen - mit deinen konkreten Daten. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat einen kostenlosen Online-Rechner veröffentlicht, den schon über 47.000 Menschen genutzt haben. Nutze ihn. Es dauert 5 Minuten. Und es kann dir später 10.000 Euro sparen.
Was passiert, wenn du die VFE nicht bezahlst?
Die Bank kann dich nicht einfach vor Gericht bringen - aber sie kann den Verkauf blockieren. Wenn du deine Immobilie verkaufen willst, muss der Käufer wissen, wie viel Schulden noch auf der Immobilie lasten. Wenn die VFE nicht bezahlt ist, kann die Bank die Löschung des Grundbucheintrags verweigern. Dann geht der Verkauf nicht durch. Du bist gezwungen, zu zahlen - oder den Käufer zum Pfandtausch zu bewegen.
Einige Käufer weigern sich deshalb, Häuser mit langen Zinsbindungen zu kaufen. Sie wissen, dass sie später eine hohe VFE bezahlen müssen - oder dass der Verkäufer den Preis um die VFE erhöht. Das macht die Immobilie schwerer verkaufbar.
Neue Entwicklungen: Wird es fairer?
Ja - aber langsam. Der Bundesgerichtshof hat 2023 klargestellt: Banken müssen Ersatzkosten abziehen. Die Bundesregierung plant, die VFE strenger zu regulieren - wie es die EU vorschreibt. Die Verbraucherzentralen drängen auf eine Obergrenze. Doch bis dahin bleibt es deine Verantwortung.
Die Zinsen werden wieder fallen. Das ist sicher. Und dann wird die VFE wieder steigen. Wer jetzt einen 20-jährigen Kredit mit 1,8 % Zins abschließt, könnte in 5 Jahren eine VFE von 15.000 Euro zahlen - nur weil er sein Haus verkaufen will. Das ist kein Risiko. Das ist eine Zeitbombe.
Frequently Asked Questions
Kann ich die Vorfälligkeitsentschädigung verhandeln?
Ja, du kannst versuchen, die VFE zu verhandeln - besonders wenn die Bank das Geld zu höheren Zinsen wieder verleihen kann. Einige Banken senken die VFE, wenn du gleichzeitig einen neuen Kredit bei ihnen aufnimmst. Frag immer nach: „Können Sie die VFE reduzieren, wenn ich den neuen Kredit bei Ihnen laufen lasse?“
Ist die VFE steuerlich absetzbar?
Nein. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist keine Werbungskosten und kann nicht als Sonderausgabe geltend gemacht werden. Sie ist eine Kostenfallen, die du komplett selbst trägst.
Was passiert, wenn ich den Kredit teilweise vorzeitig zurückzahle?
Wenn du mehr als die vereinbarte Sondertilgung (meist 5 % pro Jahr) zurückzahlst, wird die VFE auf den übersteigenden Betrag berechnet. Du kannst also nicht einfach 15.000 Euro zahlen, wenn nur 10.000 erlaubt sind - ohne VFE zu riskieren. Die Bank prüft das genau.
Wie lange gilt die Zinsbindung, wenn ich den Kredit umschulde?
Wenn du den Kredit umschuldest, beginnt die neue Zinsbindung von vorne. Die alte Zinsbindung verfällt komplett. Das bedeutet: Du verlierst das Sonderkündigungsrecht nach 10 Jahren - und musst eine neue VFE akzeptieren, wenn du später wieder verkaufst. Umschulden ist kein Freifahrtschein.
Gibt es eine Alternative zur VFE, wenn ich verkaufe?
Ja - der Pfandtausch. Der Käufer übernimmt deinen bestehenden Kredit. Du zahlst keine VFE. Die Bank muss zustimmen, aber sie darf die VFE nicht verlangen. Das ist die einzige echte Alternative. Frag deinen Makler oder deine Bank danach - nicht erst, wenn der Vertrag unterschrieben ist.
Was du jetzt tun solltest
Wenn du gerade einen Kredit suchst: Wähle eine Zinsbindung von maximal 10 Jahren. Nutze die Sondertilgung. Frag nach flexiblen Modellen. Lass dir die VFE im Voraus berechnen.
Wenn du schon einen Kredit hast: Prüfe, wie viel du noch schuldest. Wie lange ist die Zinsbindung noch? Kannst du Sondertilgung nutzen? Und: Ist ein Pfandtausch möglich, wenn du verkaufst? Nutze den kostenlosen Rechner der Verbraucherzentrale - er ist einfach, schnell und zuverlässig.
Die Vorfälligkeitsentschädigung ist kein Naturgesetz. Sie ist eine vertragliche Regelung - und die kannst du beeinflussen. Wer sie früh versteht, spart Tausende. Wer sie ignoriert, zahlt sie - und hat keine Chance mehr, sie zu vermeiden.
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