Im Jahr 2025 werden in Deutschland weniger Wohnungen gebaut als je seit 2010. Das klingt wie ein Widerspruch, denn die Zahlen zeigen einen leichten Anstieg - doch der ist trügerisch. Die Zahl der Baugenehmigungen ist zwar im ersten Halbjahr 2025 um 2,9 % gestiegen, auf insgesamt 110.000 Wohnungen. Aber das ist immer noch weniger als die Hälfte dessen, was nötig wäre. Experten sagen: Deutschland braucht mindestens 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Tatsächlich werden es dieses Jahr nur etwa 280.000. Wo bleibt der Rest? Und warum baut man nicht einfach mehr?
Warum genehmigte Wohnungen nicht gleich gebaut werden
Eine Baugenehmigung ist kein Baubeginn. Sie ist ein Papier, das sagt: "Ja, du darfst bauen." Aber das bedeutet nicht, dass auch gebaut wird. Im Durchschnitt dauert es zwischen 22 und 29 Monate, bis eine genehmigte Wohnung fertig ist. Das liegt an drei Dingen: Fachkräftemangel, Komplexität der Vorschriften und fehlende Koordination zwischen Behörden. In Berlin dauert es durchschnittlich 9,3 Monate, bis die Genehmigung da ist - und das ist nur der Anfang. Danach kommt das Problem: Kein Handwerker ist verfügbar. Kein Betonmischer kommt rechtzeitig. Kein Elektriker kann vor Ort sein. Die Bauindustrie hat 2024 ein Programm namens "Bau-Turbo" eingeführt, um die Verfahren zu beschleunigen. Aber bis Ende 2025 ist es erst in 42 % der Kommunen vollständig umgesetzt. In vielen Städten läuft alles noch per Papier, Fax und Wartezeit.Die falsche Richtung: Einfamilienhäuser statt Mietwohnungen
Hier liegt der größte Fehler: Wir bauen die falschen Wohnungen. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Genehmigungen für Einfamilienhäuser um 14,1 %. Das klingt gut - bis man weiß, dass diese Häuser nur für eine Familie Platz bieten. In Städten wie Frankfurt, München oder Hamburg braucht man aber Wohnungen für Studenten, Alleinerziehende, Senioren und junge Paare. Genau dafür braucht man Mehrfamilienhäuser. Doch die Genehmigungen für solche Wohnungen stiegen im selben Zeitraum nur um 0,1 % - also praktisch nicht. Im August 2025 wurden 57.300 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt. Das ist weniger als 2021, als es noch 82.400 waren. Die Bertelsmann-Stiftung hat berechnet: 85 % der benötigten Stadt-Wohnungen müssten in Mehrfamilienhäusern entstehen. Stattdessen wachsen die Einfamilienhaus-Quoten. Das verschärft die Wohnungsnot. Es verbraucht mehr Land, belastet die Infrastruktur und macht Mieten teurer, weil weniger Angebot da ist.Kosten steigen - Mieten nicht
Der Bau einer Quadratmeter-Wohnung kostet heute 2.553 Euro. 2022 waren es noch 1.850 Euro. Das ist ein Anstieg von 38 %. Die Mieten sind im selben Zeitraum nur um 18 % gestiegen. Was bedeutet das? Ein Investor, der heute ein Mehrfamilienhaus baut, kann nicht mehr davon ausgehen, dass er seine Kosten zurückverdient. Er macht Verluste. Deshalb ziehen sich viele zurück. Die Bauindustrie sagt: "Wenn wir nicht mehr verdienen können, bauen wir nicht mehr." Die Bundesregierung hat reagiert: Mit einem Sozialwohnungsbau-Programm von 4,2 Milliarden Euro für 2025 bis 2027. Jede Sozialwohnung bekommt bis zu 120.000 Euro Subvention. Das hilft - aber nur für einen Bruchteil der benötigten Wohnungen. Und es löst nicht das grundlegende Problem: Die Kosten sind zu hoch, die Verfahren zu langsam, die Fachkräfte zu wenig.
Die Engpässe in den Behörden
Jedes Bauvorhaben muss durch eine Reihe von Ämtern: Bauamt, Feuerwehr, Umweltamt, Denkmalschutz, Wasserwirtschaft. In München wurde im August 2025 ein Projekt mit 32 Wohnungen nach 14 Monaten immer noch nicht genehmigt - weil die Feuerwehr und das Umweltamt sich nicht einigen konnten. Einige Behörden verlangen digitale Nachweise, andere akzeptieren nur Papier. Die Bauunternehmen sagen: 72 % der Verzögerungen kommen von fehlenden Mitarbeitern in den Bauämtern. 58 % der Projekte hängen an komplizierten Klimaschutz-Nachweisen. Das ist kein Mangel an Wollen - es ist ein Mangel an Struktur. Die Digitalisierung ist ein Strohfeuer. In Bayern und Baden-Württemberg läuft alles online. In Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern wird noch per Post versendet. Die Datenqualität ist deshalb unzuverlässig. Wer sagt, wie viele Wohnungen wirklich gebaut werden, kann es nicht genau wissen.Was passiert, wenn nichts geändert wird?
Die Zahlen sind alarmierend. Im Jahr 2021 wurden noch 92 % der genehmigten Wohnungen innerhalb von drei Jahren fertiggestellt. 2024 waren es nur noch 76 %. Das heißt: Jede vierte genehmigte Wohnung bleibt liegen. Der Bauüberhang - also die genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen - lag Ende 2024 bei 214.000. Das ist mehr als die gesamte jährliche Nachfrage in einigen Bundesländern. Wenn diese Zahlen so bleiben, wird Deutschland bis 2030 1,5 Millionen Wohnungen fehlen. Die Folgen? Mieten steigen weiter. Menschen verlassen die Städte. Familien müssen weiter weg wohnen, länger pendeln. Die soziale Spaltung wird tiefer. Die Bundesregierung plant eine Reform des Baugesetzbuchs für November 2025 - mit der Absicht, den KfW-75-Standard abzusenken, um Baukosten zu senken. Aber Experten wie Dr. Frank Schale vom RWI sagen: "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen Fachkräfte, nicht weniger Vorschriften."
Was kann wirklich helfen?
Es gibt drei Dinge, die zählen: Fachkräfte, Tempo, Wohnungsart. Erstens: Qualifizierte Bauarbeiter müssen schneller ins Land kommen. Ab Januar 2026 soll es erleichterte Zuwanderungsregeln geben - das ist ein Schritt. Aber es braucht mehr: Ausbildung, Praktika, bessere Löhne. Zweitens: Die Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht und digitalisiert werden - und zwar flächendeckend, nicht nur in einigen Bundesländern. Drittens: Die Politik muss endlich akzeptieren, dass die Zukunft in Mehrfamilienhäusern liegt. Nicht in Einfamilienhäusern am Stadtrand. Städte brauchen dichte, gut erschlossene Quartiere. Dafür braucht man andere Bauvorgaben, andere Fördermodelle, andere Planungsansätze. Die Bundesregierung redet von "Wohnungsbau zieht an". Aber wenn die meisten neuen Wohnungen nur in Einfamilienhäusern entstehen, dann zieht der Bau nicht an - er zieht in die falsche Richtung.Was bedeutet das für Mieter und Investoren?
Für Mieter: Die Mietpreise werden weiter steigen. Die Suche nach einer Wohnung wird länger, schwieriger, frustrierender. Wer heute eine Wohnung sucht, muss länger warten, mehr zahlen, weniger Auswahl haben. Für Investoren: Der Markt wird unattraktiver. Wer heute in ein Mehrfamilienhaus investiert, muss mit längeren Laufzeiten und geringeren Renditen rechnen. Die Subventionen helfen nur für Sozialwohnungen - nicht für den freien Markt. Wer in ländlichen Regionen baut, hat es noch schwerer: Die Nachfrage ist geringer, die Kosten aber gleich hoch. Die Bauindustrie sagt: "Wir erwarten eine weitere Verschlechterung bis 2026."Die Zukunft ist nicht vorhergesagt - sie wird gemacht
Die Zahlen zeigen: Wir sind nicht auf dem Weg zu einer Lösung. Wir sind auf dem Weg zu einer Krise. Aber es gibt auch Anzeichen von Veränderung. Die monatlichen Genehmigungszahlen steigen - wenn auch langsam. Die Politik erkennt langsam, dass die Probleme strukturell sind. Die Bauindustrie drängt auf Reformen. Die Bürger fordern mehr Wohnraum. Der Weg nach vorne ist klar: Mehr Fachkräfte, schnellere Verfahren, mehr Mehrfamilienhäuser. Alles andere ist Taktik - nicht Strategie. Wer glaubt, dass man mit ein paar Subventionen und einem neuen Gesetz die Wohnungsnot lösen kann, irrt. Es braucht eine neue Baukultur. Und die beginnt nicht mit einem Gesetz - sie beginnt mit der Erkenntnis, dass wir nicht mehr bauen können wie vor 30 Jahren.Warum steigen die Baugenehmigungen, aber nicht die fertigen Wohnungen?
Weil es zwischen Genehmigung und Fertigstellung enorme Verzögerungen gibt. Es fehlen Fachkräfte, die Verfahren sind langsam, und die Baukosten sind gestiegen. Viele Projekte werden aufgeschoben, weil Investoren nicht mehr rechnen können. Die Zahl der genehmigten Wohnungen ist also kein Indikator für die tatsächliche Versorgung - sie zeigt nur, was geplant ist.
Warum werden immer mehr Einfamilienhäuser genehmigt, obwohl sie den Bedarf nicht decken?
Weil sie einfacher zu genehmigen sind, günstiger in der Planung und oft von Privatpersonen beantragt werden, die mehr Kontrolle wollen. Zudem profitieren Bauunternehmen von den höheren Margen bei Einfamilienhäusern. Doch diese Art des Bauens ist ineffizient für Städte. Sie braucht mehr Fläche, mehr Infrastruktur und deckt nicht den Bedarf an kleinen, bezahlbaren Wohnungen.
Wie viele Wohnungen fehlen in Deutschland aktuell?
Nach Schätzungen des Deutschen Mieterbunds fehlen aktuell 850.000 Wohnungen. In den 20 größten Städten sind es allein 520.000. Diese Lücke wächst, weil die Bevölkerung weiter steigt, mehr Menschen allein leben und die Zahl der Haushalte zunimmt - während die Bauquote stagniert.
Was ist der KfW-75-Standard und warum soll er abgesenkt werden?
Der KfW-75-Standard ist eine Energieeffizienzvorgabe, die bei Neubauten verlangt, dass der Energiebedarf nur 75 % des gesetzlich vorgeschriebenen Wertes beträgt. Das macht den Bau teurer. Die Bundesregierung will diesen Standard absenken, um die Baukosten zu senken und mehr Projekte rentabel zu machen. Kritiker sagen: Das gefährdet den Klimaschutz. Befürworter argumentieren: Ohne Kostensenkung wird kein Neubau mehr gebaut - und das ist schlimmer für das Klima als ein leicht schlechterer Standard.
Wann wird sich die Situation verbessern?
Laut einer Umfrage des ifo Instituts erwarten 63 % der Bauunternehmen eine Verbesserung erst ab 2026. 28 % rechnen mit einer weiteren Verschlechterung. Die entscheidenden Faktoren sind die Umsetzung des Fachkräftesicherungsgesetzes, die digitale Transformation der Bauämter und die tatsächliche Zunahme bei Mehrfamilienhäusern - und davon ist aktuell noch wenig zu sehen.
Kommentare
Franz Meier
Die Zahlen lügen nicht aber die Politik schon seit Jahren